Crossing British-Columbia

Als ich Lake Louise verlies wusste ich das ich eines Tages in die Rockies zurückkehren werde. Ich war begeistert von der wilden Schönheit dieser Berge, Wälder, Flüsse, Seen und Tierwelt. Doch was da noch vor mir lag lockte mich auf die Strasse. Es ist der Reiz etwas Neues zu entdecken: Unbekannte Landschaften, neue Begegnungen und Erlebnisse. Diese Motivation und die Freiheit der Strasse, seinen Weg nach belieben zu wählen, lösten immer wieder ein Kribbeln in mir aus nach Tagen der Rast voller Vorfreude auf das Rad zu steigen.

Gleich zu Beginn lernte ich das in Kanada Fahrradfahrer und Autofahrer nahezu die gleichen Rechte besitzen. Dies bedeutet auch als Fahrradfahrer auf dem Transcanadian Highway fahren zu dürfen. Dies klang im ersten Moment ziemlich erschreckend, mit dem Fahrrad auf dem Highway. Es war natürlich nicht das erste Mal, jedoch das erste mal über eine größere Distanz. Doch als ich die Auffahrt hinunter auf den Highway fuhr war ich überrascht wie breit der Seitenstreifen ist, dieser hatte meist die Breite einer Fahrbahn in Deutschland. Klar macht das zunächst nicht so riesig Spaß mit Autos, Campern und Trucks die Strasse zu teilen, doch gibt es in Kanada nur wenig Alternativen. Das Verkehrsaufkommen war glücklicherweise eher gering, dadurch machten auch die Abfahrten mit 70-80 km/h so richtig Laune. Die Truckfahrer nahmen besondere Rücksicht und feuerten mich sogar an! Der Transcanadian Highway ist die Lebensader Kanadas und durchquert das ganze Land. Es ist nicht unüblich das Tourer hier unterwegs sind. Auf dem Highway folgte ich teilweise einer der bekanntesten Touren in Kanada, der CTC (Coast to Coast). Dementsprechend viele Tourer begegneten mir, alle jedoch in entgegengesetzter Richtung.

Ich fuhr zunächst bei Sonnenschein durch den Yoho Nationalpark hinunter ins Tal nach Golden. Ich folgte der Route durch den Glacier Nationalpark und kämpfte mich bei Dauerregen hoch bis zum Rogers Pass. Nach der Hälfte des Anstiegs kam dann plötzlich die Sonne raus, die Wolken lichteten sich und gaben den Blick auf die massiven Berge frei. Es war ein magischer Moment der abrupt durch Baustellen unterbrochen wurde. Ich hatte Glück und die Arbeiter welche den Verkehr regelten stoppten extra für mich den Verkehr und so konnte ich alleine die drei dunklen Tunnel passieren. Kurz vor Passhöhe wurde auf den elektronischen Verkehrstafeln mal wieder vor Bären auf der Strasse gewarnt. Als ich auf Passhöhe an der Rangerstation ankam hing ein Ranger gerade die aktuellen Bärenwarnungen auf. Ein Grizzley wurde gerade hier an der Station gesichtet und ein weiterer keine 5 Kilometer hinter Passhöhe auf der Strasse. Ich wollte eigentlich genau dort in einer Hütte des Alpenvereins schlafen, es war spät und der Anstieg steckte mir in den Knochen. Als ich dann zur Sicherheit beim Alpenverein anrief (dies riet mir der Ranger), wurde ich informiert das meine anvisierte Hütte aufgrund zahlreicher Grizzleys in der Gegend geschlossen bleibt. Puh ok, dieser Tiefschlag saß! Nach dem Gespräch mit dem Ranger war klar das meine nächste Übernachtungsmöglichkeit ca. 35 Kilometer entfernt war. Alla hopp, unter Rücksichtnahme der Bärenwarnungen hatte ich keine Wahl. Gerade als ich losfahren wollte begann es zu regnen, stark! Der Regen verwandelte sich dann noch in Graupel! Halb erfroren mit Graupel Gesichtspeeling gestraft kam ich nach 120K, mittlerweile wieder bei Dauerregen, völlig nass am Campingplatz an. Strategisch hatte ich immer trockene und warme Kleidung in einem Packsack, ich streifte mir gleich mehrere Lagen der Schiesser Baumwolltops über und wärmte mich auf. Tatsächlich genoß ich das Gefühl warmer weicher Baumwolle auf meiner Haut und war froh mich vor der Reise für diese Naturmaterialien entschieden zu haben. Dies änderte leider nichts daran das ich den nächsten Morgen mit Halsschmerzen aufwachte.

In dieser Phase schenkte mir Kanada nichts und gab mir doch so viel! Ich fuhr trotz Regen durch wunderschöne einsame Wälder und überquerte mit dem Rad das erste mal in meinem Leben eine Zeitzonengrenze. Ich saß und träumte alleine in den dichten, tiefen, Wolken verhangenen Wäldern um wenigstens für ein paar Minuten dem Regen zu entgehen. Es waren nur wenige Touristen unterwegs, es regnete und regnete, doch die höchsten Zedern lässt man sich nicht entgehen. Ich fuhr lange Etappen, teilweise 145 Kilometer. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir bewusst das British Columbia 2,6 mal größer als Deutschland ist. Ich übernachtete häufig in Hostels, dies waren teilweise echte Bruchbuden, aber ich lernte dadurch eine Menge interessanter Leute kennen. Und so schlief ich bei taiwanesischen Familien oder in einer Hippie Kommune in einem stillgelegten Bahnhof, mitten im Nirgendwo. Ich plünderte ein All-You-Can-Eat Pancake Frühstück und erfuhr mehr über die Holzindustrie und die Schattenseiten die hier in den kanadischen Wäldern versteckt liegen.

Als ich dann schließlich in Kamloops ankam, direkt nach der Einfahrt in die Stadt, hielt ein finsterer Harley-Davidson Rocker neben mir und aus seinem Radio schallte laut Elton John – „Candle in the wind“. Die Sonne schien in mein Gesicht und ich freute mich riesig, ich war ziemlich angeschlagen und erkältet. Meine Ausrüstung war nass, nur wenige Lieblingsteile waren noch trocken um wenigstens abseits des Fahrrads gemütlich warme Kleidung tragen zu können. Nach dieser langen regenreichen Zeit erlebte ich einen krassen Kontrast. Ich fuhr plötzlich durch eine wüstenähnliche Steppe bei 30 Grad Hitze, umgeben von steiniger und karger Vegetation. Ich fuhr durch alte Goldgräber Städte und die Abstände zwischen den Mini-Dörfern, die teilweise nur aus Motel und Tankstelle bestanden, wurden immer größer. Nach einer kurzen „flachen“ Phase wurde es gleich wieder bergig und ich fuhr einen weiten nördlichen Bogen um den legendären SeaToSky-Highway (HWY 99) vom Ende bis zum Anfang zu fahren. Diese sonnige, einsame und ruhige Zeit in der ich auch wieder vermehrt zeltete, währte jedoch nicht lange. Ich hatte das Gefühl der Regen verfolgt mich. Die folgenden Tage zehrten ziemlich an meinen Kräften. Ich musste ca. 3700 Höhenmeter bewältigen und durch tiefe einsame Schluchten radeln. Mal mit Sonne, aber mehr mit Regen und Graupel, die ganze Zeit jedoch mit Gegenwind. Dennoch war es echt beeindruckend so alleine auf dem Highway 99 Richtung Whistler zu fahren. Ich war krank und jammerte so vor mich hin, ich fuhr 6 Stunden inkl. mehrerer 13% Steigungen den Berg hoch um dann alles in 30min wieder herunter nur um dies am nächsten Tag wieder hoch zu fahren. Das ist schon etwas demotivierend. Sie wundern sich wahrscheinlich warum ich dies hier so jammernd schildere. Ganz einfach, es gehört dazu! Die harten, schwierigen und anstrenge Situationen, auch diese Momente möchte ich nicht missen. In solchen Momenten hatte ich stets das Gefühl mehr über mich selbst zu erfahren.

Als ich in Whistler ankam musste ich die Notbremse ziehen. Im Olympischen Dorf an den Ringen war ich stolz auf das geleistete jedoch geschafft und letztlich krank. Durch die Anstrengung der letzten Tage wurde die Erkältung schlimmer und ich nahm ein Zimmer im örtlichen Hostel. Ich musste lachen als ich Micha aus Leipzig im Aufzug wieder traf. Seit der letzten Begegnung in Lake Louise hatten wir beide viel erlebt, er mit dem Auto, ich mit dem Rad. Auch meine zwei Roommates, beides Australier, waren echt super nett! Tom 22 aus Sydney strotzte nur so vor Tatendrang: Hiken, Kayak, Rafting, Downhill und Cross-Country, er machte einfach alles. Amy, 19 reiste mit gefälschtem Pass weil sie eigentlich noch zu jung war, sie war etwas schweigsam. Also war ich der alte Deutsche der den ganzen Tag Bier trank und nichts tut.

Da mir nichts tun auf Dauer schwer fiel und Draussen bei 30 Grad die Sonne schien hielt mich nichts davon ab mich sportlich zu betätigen. Zuerst wollte ich mich mit einem Downhillbike den Berg runter stürzen, dies war leider viel zu teuer. Auch die Gondelfahrt auf die umliegenden Berge sollte 60 Dollar kosten. Also endete ich im Radladen der mir meine lang ersehnten Ersatzteile bestellte, sie machten mir ein super Angebot. Ich lieh mir ein Mountainbike und ging natürlich gleich auf einen der zahlreichen Experten-Cross-Country-Trails (höchste Kategorie). Naja meine überschaubaren Fähigkeiten haben mich zwar durch den Trail gebracht aber eher schlecht als recht. Anschließend machte ich doch lieber die Anfänger Trails unsicher und genoß den Tag. Ohne Gepäck fühlte sie die Radfahrt an als würde ich  Fliegen. Die Lerngruppen staunten nicht schlecht als ich den Trail hochgebolzte um ihn dann wieder, an der gleichen Gruppe vorbei, runter zu cruisen. Whistler ist echt ein Sportmekka für alle Sportarten. Ich träumte immer davon hier mal mit dem Snowboard durch den Champaignpowder zu surfen, das ich hier mal mit dem Rad lande hätte ich nie gedacht. Dennoch ist Whistler definitiv nichts für den schmalen Geldbeutel. Den folgenden Tag ging es also wieder auf das eigene Rad um den wunderschönen SeaToSky Trail bis zu den Brandywinefalls zu fahren. Das einzige was man auf solch einem Waldtrail nicht hören möchte ist, wenn ein Jogger an einem vorbeiläuft und sagt: „Da hinten ist irgendwo ein Bär“! Naja der war dann wohl schon weg. Es war immer noch etwas nervenaufreibend aber man gewöhnt sich so langsam daran das man quasi um jeder Ecke auf einen Bären treffen könnte. Dafür wurde ich nach einer kleinen Kletterpartie mit dem Blick vom Rand der ca. 50m hohen Brandywinefalls belohnt. Den Rest des Tages verbrachte ich im Museum und bewunderte eine Ausstellung über die kanadischen Natives und deren Kultur.

Als ich gut erholt und wieder so gut wie gesund war ging es die letzten Kilometer auf dem SeaToSky Highway Richtung Horseshoe Bay. Ein sonniger und heißer Tag mit zahlreichen atemberaubenden Ausblicken. Die Shannon Falls bei Squamish haben mich besonders beeindruckt, diese magischen Wasserfälle waren bzw. sind Kultort der Natives. Noch am gleichen Tag setzte ich mit der Fähre inklusive eines tollen Ausblicks auf Vancouver über nach Vancouver Island, nach Nanaimo. Am Lagerfeuer dachte ich nochmal über die vergangenen Wochen nach und stellte fest das Kanada mich schwer beeindruckt hat. Leider habe ich durch die Krankheit ein paar Tage verloren die ich eigentlich auf Vancouver Island, speziell in Tofino verbringen wollte. Ich entschloss mich meine Pläne zu ändern, etwas Victoria zu erkunden und durch die San Juan Islands nach Seattle zu fahren. In Victoria, eine kleine hübsche Stadt am südlichen Zipfel von Vancouver Island traf ich dann gleich drei Mannheimer. Das war der erste Abend mit Deutschen seit langer Zeit, und es war ein lustiger. Von Victoria kann man mit bloßem Auge die Berge des Olympic National Parks in den USA sehen. Und so freute ich mich auf einen neuen Abschnitt meiner Reise. Zugleich war ich traurig Kanada zu verlassen. Ich habe mich neben Neuseeland auch in dieses Land und dessen unbeschreibliche Wildnis, Schönheit und gastfreundliche lockere Menschen verliebt.

Beim nächsten Mal hören wir uns dann aus den USA.

Dennis

Dennis

Dennis, 36 Jahre alt, hat sich eine ganz besondere Fahrradtour vorgenommen: Für sechs Monate fährt er mit dem Rad um die halbe Welt. Von Neuseeland, Kanada über die USA bis hin nach Europa erkundet er auf zwei Rädern verschiedenste Länder, reist durch extreme Klimazonen und genießt unvergessliche Momente. Sein ständiger Begleiter: SCHIESSER! Sowohl in Extrem-Sportwäsche auf dem Rad als auch in gemütlicher Loungewear am Lagerfeuer statten wir ihn rund um die Uhr mit unseren Lieblingsstücken aus und freuen uns auf neue Abenteuer-Berichte!

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