Ein Licht im Nebel

Oregon Rules! Endlose Strände, steile Klippen, dichte Wälder, Wale, Seelöwen, Seeadler und stets ein endloser Horizont zur Rechten. Umso weiter ich nach Süden fuhr desto mehr verliebte ich mich in Oregon. Das positive Gefühl, hervorgerufen durch die wilde ursprüngliche Natur und den offenen Menschen konnte auch nicht durch das teilweise wechselhafte Wetter getrübt werden. Im Gegenteil, es gehört irgendwie dazu und macht diese wilde Küste noch spektakulärer. Und das Beste, es war so einfach nach Süden zu fahren. Klar es geht ständig hoch und runter, aber der stetige Rückenwind trieb mich fast schon automatisch nach Süden. Ich war in meinem Element und fühlte mich auf der Strasse zu Hause. Jedoch stellte ich nach so langer Zeit auf der Straße fest, dass ein gewisser „Alltag“ Einzug hielt. So richtig realisierte ich dies erst nachdem ich immer öfter angesprochen wurde. Das Schema war meist das gleiche. Ich erzählte meist nur den letzten Teil meiner Reise, bezogen auf das aktuelle Land. Nachdem mich dann alle fragen, wo ich begonnen habe fasse ich die Route beginnend in Neuseeland zusammen. Die Reaktion: Schweigen, ein komischer Blick und die Frage, ob ich das ernst meinen würde. Es folgt Begeisterung und eine unglaubliche Neugierde. Meist drehten sich die folgenden Fragen um Durchschnittsdistanzen, Übernachtung, Essen oder Ähnliches. Eben die alltäglichen Dinge, oder vielmehr das Verlassen der „Komfortzone“. Wie soll man das alles schaffen? Ist das nicht gefährlich? Das könnte ich nicht… Doch ist es einfacher als man denkt!

Wie sieht der Alltag auf der Straße aus? Es gibt keinen Plan!

Das Leben reduziert sich auf eine gewisse Essenz und auf ganz viel Freiheit. Man kommt mit wenig aus und ist dabei unglaublich glücklich und fasziniert von dieser Simplizität. Natürlich hatte ich vor Beginn der Reise einen groben Plan der sich letztlich darauf beschränkte Dinge zu definieren die ich sehen möchte und Zeiträume in denen ich dies schaffen wollte. Ich wusste wann ich von einem ins nächste Land wechseln wollte. Alles dazwischen ergibt sich von selbst. Erst ein Tag zuvor wusste ich grob, wo es den nächsten Tag hin gehen sollte oder was ich tun wollte.

mit dem Fahrrad durch Süd Oregon - immer mit Gepäck: Schiesser Wäsche!

Abhängig von meinem Schlafplatz, Campingplatz oder in der offenen Natur steht man recht spät oder eben sehr früh auf. Ohnehin kann man im Zelt nicht sehr lange schlafen, wenn die Sonne darauf scheint. Auf den Hiker/Biker-Sites war ich meist der Letzte auf dem Rad. Morgens nahm ich mir Zeit für mein Oatmeal und meinen selbst gemahlenen und gebrühten Kaffee. Ja, ich habe alles mit mir und bin damit einer der wenigen der Wert auf guten Kaffee legt. Ich checkte grob eine mögliche Route zum Tagesziel und recherchierte was es auf der Strecke zu sehen gab. Das Ritual Packen lief jeden Morgen gleich und folgte einem eingespielten Ablauf. Jedes Teil hat seinen Platz, so wusste ich jederzeit wo was war und konnte bei Bedarf die Dinge schnell finden. Dies ist besonders wichtig, wenn man am Wegesrand etwas sucht und nicht alles durchwühlen möchte. Während des Packens gab es meist noch einen zweiten Kaffee, bevor es dann endlich losging. Als ich tatsächlich losfuhr war es meist schon 11 Uhr. Ich radelte gemütlich vor mich hin und genoss die atemberaubende Natur. Ich hielt wann immer ich Lust hatte oder ich ein Foto machen wollte. Mit Musik im Ohr vergaß ich alles um mich herum, ich saugte alles in mich auf. Wenn es regnet zog ich meine Regenkleidung an, wenn die Sonne schien wieder aus. Ich fuhr auf meinem Seitenstreifen und meine Fahne baumelte am Heck. Es geht um Sichtbarkeit! Doch sind die Straßen meist sehr breit und die Trucks und Autofahrer in Amerika meist sehr rücksichtsvoll. Immer wenn es eine schönere alternative Route abseits des Highways gab bog ich ab. Eine erste größere Pause machte ich nach 1-2 Stunden auf dem Rad. Entweder ich fand ein kleines nettes Café oder ich vesperte in der Natur. Man teilt seinen Weg mit anderen, erzählt Geschichten am Straßenrand und lauscht spannenden Erzählungen. Manchmal repariert man kleinere Defekte manchmal verschönert man sein Rad. Langsam den Berg hinauf, schnell hinunter. Man genießt eine zweite Pause an einem Strand, im Wald oder auf einer Klippe, je nachdem was gerade spektakulärer ist. Neigt sich der Tag dem Ende überprüft man gedanklich seine Vorräte und stellt meist fest das man etwas zu Essen kaufen sollte. Ich suchte einen Supermarkt und ging viel zu oft viel zu hungrig hinein um zwei drei Kleinigkeiten zu kaufen und kam mit so viel Lebensmitteln, Bier und Süßigkeiten raus, dass ich Schwierigkeiten hatte diese zu verpacken. Dann ging es Richtung Statepark oder auf die Suche nach einem schönen Platz zum wilden campen in der Natur. Nach dem Genuss des Wichtigsten, dem Feierabendbier, beginnt erneut eine gewisse Routine: Das Zelt aufbauen. Eine Dusche gab es nicht jeden Tag, wenn ich die Möglichkeit hatte nutzte ich sie. Manchmal war es jedoch wichtiger etwas zu sehen oder zu erleben. Es ging an den Strand zum Drachen steigen lassen, auf einen kleinen Hike, zu einem Konzert, in eine Bar oder auf eine ausgiebige Fototour. Zum Abendessen wird zusammen mit anderen freundlichen Menschen gekocht und geteilt, es wir erzählt und gelacht. Es wird viel gegessen um den übermäßigen Einkauf nicht am nächsten Tag schleppen zu müssen. Dann wenn die Sonne geht, geht es in den kuscheligen Schlafsack. Es wird Tagebuch geschrieben und überlegt was man am nächsten Tag erleben möchte. Oft ergab sich auch ein langer Abend am Lagerfeuer oder unter dem Sternenhimmel.

Ein Alltag geprägt von freien Entscheidungen, Schönheit, Geselligkeit und Entspannung. Ich fühlte mich unendlich privilegiert für diese Zeit ein solches Leben leben zu dürfen. Ich bin unendlich dankbar, ich bin glücklich! Ich habe das Gefühl bereits seit Jahren unterwegs zu sein, die Zeit ist gefüllt mit Erlebnissen und Erinnerungen. Schaute ich zurück, wurde mir bewusst was für eine Strecke ich bereits zurück gelegt hatte. Oregon verwöhnte mich! Der Wind mal schwach mal orkanartig aber fast immer von hinten. Ich pedalierte etwas mit, so sah es wenigstens etwas nach Sport aus. In dieser Zeit frei von Sorgen suchte ich mir kleinere Herausforderungen und „Projekte“. Meine Fähigkeiten einen Drachen steigen zu lassen verbesserten sich stetig, ich kaufte eine Mundharmonika und übte erste leichte Melodien. Ich machte es mir zu Aufgabe zu versuchen alle Leuchttürme der amerikanischen Westküste zu besuchen. Diese romantischen kleinen Gebäude, diese Leitlichter im Nebel zogen mich magisch an. Manche sah man bereits aus weiter Entfernung, andere wiederum fand man versteckt am Ende einer Landzunge am Rande einer Klippe. Man hörte die Wellen an den Klippen brechen, man roch das Salz in der Luft, der Wind pfeift um die Ohren, die Seevögel segelten an einem vorbei und nicht selten hörte man die Seelöwen rufen. Im Leuchtturm selbst konnte man den Blick auf den ewigen Horizont des Pazifiks genießen und mit etwas Glück Grauwale beobachten.

 

Meine Ausflüge und Umwege führten mich immer wieder auf kleine Straße abseits des Highways. Ich folgte dem alten Highway, den alten Teilen der 101, die direkter an der Küste verliefen und nicht mehr gewartet wurden. Wie Teile der Route 66 ein mystisches Stück Geschichte meist ohne Verkehr. Die diversen Abstecher in die Dünen Oregons verblüfften mich enorm. Man fährt durch einen nassen dichten Wald und plötzlich, von einem Moment auf den anderen fährt man durch eine Mondlandschaft. Im Jesse M. Honeyman Park streifte ich durch die Dünen und kletterte auf einige große Dünen um festzustellen das dahinter weitere Dünen folgen. Das Meer aus Dünen schien endlos. Oder die Seven Devils Road die ihrem Namen alle Ehre machte. Jeder „Teufel“ ein Hügel einer Hügelkette. Es nieselte und im dichten Nebel betrug die Sichtweite ca. 10 Meter. Die Seven Devils waren umgeben von dichtem dunklem Wald und mitten durch verlief die kleine Seitenstraße, abseits der großen Hauptrouten. Es ging hoch und runter manchmal steil manchmal weniger. Nach jedem Hügel hoffte man, dass es nicht wirklich sieben sind. Ich zählte mit und war fest davon überzeugt, dass sich bei der Benennung der Straße jemand verzählt haben muss.

Wie bereits im nördlichen Oregon wollte ich etwas vom Hinterland sehen und beschloss eine weitere Werkstatt zu besuchen. Randijofabs aus Elkton produziert allerlei Produkte für Fahrradfahrer, hauptsächlich Mützen und Taschen. Bereits Tage zuvor schrieb ich Randi eine Mail und wie so oft wurde ich herzlichst eingeladen. Einem Fluss folgend ging es ca. 60 Kilometer landeinwärts, es ging aus dem feuchten Nebel der Küste hinein in die sonnige Hitze des Inlands. Randi, ihr Mann und zwei Kinder lebten auf einer kleinen Farm mitten im Nirgendwo. In einem sehr ländlichen, dünn besiedelten Umfeld ließen sie sich nieder. In einem kleinen Bauwagen befand sich ihr Atelier in dem sie mit ihrem Mann die Produkte produzierte. Ich campte im Garten und ich erlebte einen herzlichen und entspannten Abend im Freien bei einer leckeren selbst gemachten Pizza und vielen Geschichten aus ihrem und meinem Leben. Die kleinen Kinder erinnerten mich an meinen Neffen und meine Nichte, ich wurde derart herzlich aufgenommen, dass ich etwas wehmütig an meine Familie denken musste. Ich genoss diesen kurzen Urlaub vom Urlaub.

Es ging wieder zurück an die Küste, hinein in den Regen. Am nächsten Tag regnete es durchgehend und der Wind drehte auf Gegenwind. Die einfache Zeit war plötzlich vorbei und so mancher Teil der Campingplätze wegen Überschwemmungen geschlossen. Ich kämpfte mich bis zum Cape Blanco und sah vor lauter Nebel nichts, war verfroren und klatsch nass. Selbst der Leuchtturm war nicht zu sehen, dabei stand ich nur wenige hundert Meter entfernt. Nach einer ziemlich feuchten Nacht war letztlich auch meine Kleidung und Ausrüstung nass. Eigentlich wollte ich am Cape Blanco einen Ruhetag verbringen doch fuhr ich lieber in das nächste Dorf zum Laundromat um zu waschen und vor allem zu trocknen. Doch bei allen Anstrengungen und Schwierigkeiten verzaubert mich die schroffe Küste mit ihren Leuchttürmen, Klippen und Felsen immer wieder aufs Neue. Und so wurde ich am Morgen belohnt als der kräftige Küstenwind die Wolken über die Klippen davon wehte. Es war spektakulär als sich der Nebel lichtete und den Blick auf die Klippen, Felder und Wälder von Cape Blanco freigab. Diese nasse Zeit zehrte an meinen Kräften und so spürte ich deutlich, dass ich eine Pause brauchte. Ich hatte mich wieder erkältet. So viel Glück wie ich mit dem Wetter bisher hatte so sehr ließ es mich im Süden im Stich. Ich nutzte die regenreiche Zeit um mich zu erholen und gesund zu werden, ich schrieb mein Tagebuch und blickte voller Begeisterung zurück auf die Dinge die ich schon gesehen und erlebt hatte. Ich erinnerte mich an die Bekanntschaften und Geschichten. Als zwei Tage später die Sonne wieder schien fuhr ich die letzte Etappe in Oregon bis kurz vor die Grenze nach Kalifornien. Die Sonne mobilisierte meine Kräfte und ich konnte am Harris Beach ein letztes Mal die zerklüftete Küste Oregons genießen.

In Kalifornien wollte ich die verschiedenen Redwood Parks des Nordens ausgiebig erkunden. Ich wollte nur kurze Etappen von Park zu Park fahren und zu Fuß die mächtigen und größten Giganten der Welt erleben. Was ich in den tiefen Wäldern der Redwoods erlebte, wen ich traf und wie es weiter ging erfahrt ihr beim nächsten Mal.

Dennis

Dennis, 36 Jahre alt, hat sich eine ganz besondere Fahrradtour vorgenommen: Für sechs Monate fährt er mit dem Rad um die halbe Welt. Von Neuseeland, Kanada über die USA bis hin nach Europa erkundet er auf zwei Rädern verschiedenste Länder, reist durch extreme Klimazonen und genießt unvergessliche Momente. Sein ständiger Begleiter: SCHIESSER! Sowohl in Extrem-Sportwäsche auf dem Rad als auch in gemütlicher Loungewear am Lagerfeuer statten wir ihn rund um die Uhr mit unseren Lieblingsstücken aus und freuen uns auf neue Abenteuer-Berichte!

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